Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Empörung oder Empathie – Kampf der Kulturen in der Klimakommunikation?

17.10.2019

Kathleen A. Mar

Dr. Kathleen A. Mar

kathleen [dot] mar [at] rifs-potsdam [dot] de
"Wir müssen damit beginnen, den Leuten zu sagen, dass sie fantastisch sind": Der Klimakommunikationsexperte George Marshall auf dem K3 Kongress 2019.
"Wir müssen damit beginnen, den Leuten zu sagen, dass sie großartig sind": Der Klimakommunikationsexperte George Marshall auf dem K3 Kongress 2019.

„Wir müssen damit beginnen, den Leuten zu sagen, dass sie großartig sind.“ Das war eine der zentralen Botschaften des Experten für Klimakommunikation George Marshall in seiner Eröffnungsrede im September beim Kongress zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft (K3) in Karlsruhe. Dazu gehöre seiner Ansicht nach auch, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, ihnen zuzuhören und den Klimaschutz in die Worte zu fassen, die ihren Werten entsprechen.

George Marshall betrachtet die konservative Mitte des politischen Spektrums als eine der wichtigsten und gleichzeitig am stärksten vernachlässigten politischen Gruppen, bei der um Unterstützung für Klimaschutz geworben werden muss. Als Beispiel beschrieb er ein Projekt seiner Beratungsfirma Climate Outreach, das in der kanadischen Provinz Alberta – einer von der Öl- und Gasindustrie geprägten Gegend – ein positives Narrativ für den Klimaschutz finden sollte. Als erfolgreichste Erzählstrategie erwies sich die Anerkennung der natürlichen Erdöl- und Erdgasressourcen als Grundlage für den Wohlstand der Region, während gleichzeitig Sonne, Wind und Wasser als weitere natürliche Ressourcen dargestellt wurden, die der Region eine blühende Zukunft sichern und sie vor der Instabilität der internationalen Ölmärkte schützen könnten. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen als positive klimapolitische Botschaft zu betrachten, ist kontraproduktiv zu den Botschaften von uns in der "grünen" Blase, aber es kann funktionieren.

Kann Empathie die gesellschaftliche Kluft überbrücken?

Dieser Ansatz wurde von den deutschen, österreichischen und schweizerischen Kongressteilnehmenden aus Wissenschaft, Politik und Praxis begeistert aufgenommen. Empathie und Verständnis als Ausgangspunkt für unsere Klimakommunikation scheint mir viel lohnender als Überzeugungsarbeit, bei der wir anderen Menschen klarmachen müssen, dass wir recht (und sie unrecht) haben. Ich erkenne in unserer heutigen Gesellschaft einen besorgniserregenden Mangel an Solidarität. Wir haben uns offenbar in der Vorstellung eingenistet, dass sich links und rechts, wir und sie gegenüberstehen – mit Folgen, die natürlich weit über die fade  Klimapolitik hinausgehen. Ich bin überzeugt: Wenn wir uns bemühen, Menschen mit stark von unseren eigenen abweichenden Meinungen und Ideologien zu verstehen, kann dies zumindest einen Teil der gesellschaftlichen Gräben schließen. Gleichzeitig gebe ich zu, dass schon echte Empathie an sich harte Arbeit ist.

Zumindest auf den ersten Blick steht der Ansatz „Empathie zuerst“ in krassem Gegensatz zum Kommunikationsstil der 16-jährigen Klimaaktivistin Greta Thunberg, der aktuell am stärksten sichtbaren Klimaschutz-Fürsprecherin. Kürzlich sagte sie in einer Rede vor den Vereinten Nationen:

„Sie haben mit Ihren leeren Worten meine Träume und meine Kindheit gestohlen. Dabei habe ich noch Glück gehabt. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme kollabieren. Wir stehen am Beginn eines Massenaussterbens, und Sie reden nur über Geld und das Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie können Sie es wagen!“

Greta Thunbergs Reden sind geprägt von Ärger und Vorwürfen - und ihre Botschaft erzielt Wirkung. Innerhalb eines Jahres, nachdem sie ihren Protest vor dem schwedischen Parlament begann, ist Fridays for Future zu einer weltweiten politischen Jugendbewegung geworden. Und Greta Thunberg erreicht nicht nur die Jugend: Ich würde wetten, dass fast alle Teilnehmenden des K3-Kongresses das Video ihrer Rede angesehen haben, das während der Auftaktveranstaltung in den sozialen Medien für Furore sorgte. Gretas Persönlichkeit und Botschaft fesseln  mich auch persönlich, auch weil sie mich an mein 16-jähriges Selbst erinnert: idealistisch, leidenschaftlich und, zugegeben, ein bisschen naiv. Und ich habe den Eindruck, dass sich hinter Greta Thunbergs Ärger der grundsätzlich optimistische Glaube verbirgt, dass sich der Lauf der Dinge noch umkehren lässt. Damit steht sie im Gegensatz zu den globalen Entscheidungsträgerinnen und -trägern (und vielleicht zu den meisten Erwachsenen auf dieser Welt), die in der Tat so handeln, als hätten sie bereits aufgegeben – auch wenn sie sich das noch nicht eingestehen wollen.

Der Übergang von Empörung zu Taten braucht breite Unterstützung

Was also ist richtig? Sollten wir in der Klimakommunikation Empörung oder aber Verständnis fördern? Ich habe lange mit dieser Frage gerungen. Meine vorläufige Antwort ist, dass die beiden Ansätze einander nicht unbedingt widersprechen. Sicher finden manche Menschen Greta Thunbergs Botschaft spaltend und zu negativ. Es lässt sich aber nicht abstreiten, dass die junge Frau es geschafft hat, eine Bewegung zu gründen. Vielleicht ist es sinnvoll, ihre Botschaft als Weckruf und Schock für das bestehende System zu begreifen – als einen emotionalen Schlag, wie ihn der IPCC niemals austeilen könnte.

Doch damit der Übergang von einer politischen Bewegung zu weltweit vereinbarten und umgesetzten (und ehrgeizigen!) Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen gelingt, müssen wir großflächige Unterstützung gewinnen. Und dazu gehört die Unterstützung durch Menschen, die sich von den Botschaften von Fridays for Future einfach nicht angesprochen fühlen. Die für ehrgeizige politische Maßnahmen notwendige Mehrheit kann nur gewonnen werden, indem mit Arbeit vor Ort weite Teile der Gesellschaft – Menschen, deren Hintergrund, Interessen und Kultur sich stark unterscheiden – vom Wert des Klimaschutzes überzeugt werden. Und hier ist meiner Meinung nach Empathie entscheidend: Wir müssen fähig sein, unsere Differenzen zurückzustellen, und wirksam kommunizieren, warum die Beschränkung des Klimawandels tatsächlich dem Gemeinwohl dient. Dabei müssen wir die Werte der Menschen ansprechen, die wir erreichen wollen.

Kathleen Mar saß im Programmbeirat des K3-Kongresses.


Die Vorträge auf dem K3-Kongress wurden aufgezeichnet und können hier online abgerufen werden:

https://k3-klimakongress.org/videos-k3-2019/.

Share via email

Copied to clipboard

Drucken