Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Vom gesellschaftlichen Nutzen Erneuerbarer Energien

Energiegenossenschaft Starkenburg
Energiegenossenschaft Starkenburg

Beeindruckende technologische Innovationen und Kostensenkungen in den vergangenen Jahren haben weltweit den Blick auf erneuerbare Energien grundsätzlich verändert: In immer mehr Ländern rücken erneuerbare Energien in erster Linie aufgrund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Chancen in den Blickpunkt des Interesses. Zu diesen Vorteilen zählen die Chancen einer lokalen und verteilten Wertschöpfung, die Chancen, einen vielerorts steigenden Energiebedarf zeitnah zu decken und die Verringerung regionaler Ressourcenkonflikte um knappes Wasser, die sich durch den hohen Kühlwasserbedarf fossiler Energieträger zuspitzen. Die rasch wachsende neue Energiewelt der Erneuerbaren ermöglicht eine verteilte Energieerzeugung und eröffnet neue Geschäftsmodelle, nicht zuletzt für Gemeinden, Bürger und Bürgergenossenschaften. Die Energiepolitik kann durch günstige Rahmenbedingungen dazu beitragen, die sozialen Chancen der erneuerbaren Energien zu ergreifen.

Die vielfache Nutzenwirkung Erneuerbarer Energien

Rapide technologische Innovationen und erhebliche Kostensenkungen insbesondere für Photovoltaik- (PV) und Windkraftanlagen der vergangenen Jahre eröffnen neue wirtschaftliche, soziale und ökologische Chancen. Die neue Energiewelt der Erneuerbaren mit ihrer vielfachen Nutzenwirkung (Multi-Benefit Opportunity) findet auch im neuesten Sachstandsbericht des  Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC)  wiederholt Erwähnung (siehe Jänicke u.a. 2015).

In nicht einmal 10 Jahren sind die Kosten für PV-Panele um eindrucksvolle 75 Prozent gesunken. Bei Windkraft hat die Kostenreduktion sogar schon früher eingesetzt, sodass sie inzwischen in vielen Regionen zur preiswertesten erneuerbaren Energiequelle geworden ist, mit weiterhin fallenden Kosten. Als Folge verlieren fossile Energieträger  gegenüber Sonne und Wind ihren Kostenvorteil; in einer wachsenden Zahl von Ländern weltweit werden erneuerbare Energien zur billigsten Energiequelle. Und das selbst ohne die erheblichen Langzeitkosten von Klimawandel und Umweltzerstörung durch fossile Energieträger überhaupt zu berücksichtigen.

Das alte Energiesystem aus konventionellen Kraftwerken, das abhängig ist von fossilen Energieträgern (Steinkohle, Braunkohle, Erdgas und Erdöl) und Atomkraft, baut mehrheitlich auf Großprojekten mit langen Planungshorizonten auf - letztere sind insbesondere bei Atomkraftwerken durch die hohen notwendigen Sicherheitsstandards mitunter erheblich. In der neuen Energiewelt der erneuerbaren Energien kann Strom hingegen verteilt in kleineren Anlagen erzeugt werden, deren Planung in der Regel deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt – in vielen Ländern erlaubt dies eine deutlich schnellere Antwort auf eine schnell wachsende Energienachfrage.

In Deutschland ebenso wie in anderen Ländern haben Innovationen im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien im Bereich technische Entwicklung, Fertigung, Installation und Wartung einen neuen Jobsektor geschaffen (IRENA 2015). In dieser Hinsicht ist eine dezentrale, verteilte Energieerzeugung durch kleinere Projekte eng mit lokaler Wertschöpfung und Arbeitsmarktentwicklung verbunden. Ein weiterer Aspekt der lokalen Wertschöpfung ist, dass nun Bürger selbst als Energieversorger im Sinne von ‚Prosumers‘ an der Energiewirtschaft teilhaben. Geschätzte 47 Prozent der insgesamt in Deutschland installierten Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien – insgesamt eine Produktionskapazität von 33,5 GW – befanden sich 2013 in Bürgerhand; dabei handelt es sich hauptsächlich um PV-Anlagen auf Privathäusern und Windparks im Besitz von Bürger-Energiegenossenschaften. Diese Projekte bedeuten für rund 1,6 Millionen Deutsche ein Zusatzeinkommen oder eine deutlich reduzierte Stromrechnung.

Angesichts sich verschärfender Ressourcenkonflikte um knappes Wasser gefährdet der hohe Kühlwasserbedarf von fossilen und kerntechnischen Kraftwerken eine nachhaltige und sichere Stromversorgung. Photovoltaik und Windenergie bieten demgegenüber eine wassersparende Alternative und vermindern den gesellschaftlichen Nutzungsdruck lokaler Wasservorräte. Mit zunehmenden Folgen der globalen Erwärmung in einer wachsenden Zahl betroffener Regionen dürfte dieser soziale Vorteil der erneuerbaren Energien in den kommenden Jahrzehnten noch stärker ins Gewicht fallen.

Das Umfeld für gesellschaftliche Teilhabe bereiten

Bürger, vor Ort verankerte Unternehmen und Genossenschaften - in Ländern wie Deutschland und Dänemark waren diese neuen Akteure für die lokale Erzeugung erneuerbarer Energie wegweisend in Richtung neue Energiewelt. Anders als etablierte Energiekonzerne mit ihren über lange Jahre optimierten Geschäftsmodellen haben diese neuen Akteure die wirtschaftlichen Potenziale der erneuerbaren Energien sehr viel schneller erkannt und ergriffen. Als Folge sind erneuerbare Energien in diesen Ländern nicht nur in ihrer Erzeugung, sondern auch in ihren Besitzverhältnissen deutlich breiter verteilt. Dies hat nicht nur den Strommarkt umgekrempelt, auch der wirtschaftliche Gewinn der Energieproduktion verteilt sich in diesen Ländern breiter auf die Gesellschaft.

Woher kommen diese neuen Akteure, was motiviert ihr großes Engagement, das den Energiemarkt vom Kopf auf die Füße stellte?

In Deutschland haben sich die gesellschaftlichen Motivationen für diesen Umbruch im Energiesystem seit den 1970er Jahren in mehreren Phasen aufgebaut und durch die bahnbrechenden Innovationen und Kostensenkungen bei erneuerbaren Technologien in jüngster Zeit zusätzlich verstärkt. In Folge wurden zahlreiche neue Akteure auf dem Energiemarkt aktiv und haben ihn in Folge fundamental umgestaltet: Anstrengungen, angesichts der Ölkrise der 1970er Jahre die Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe zu reduzieren (Energiewende Phase 1), Widerstand gegen risikoträchtige Nuklearanlagen (Phase 2, seit den 1970er/80er Jahren) und eine breite Bewegung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (Phase 3, seit den 1980er/90er Jahren) brachten die Entschlossenheit, mit der die Energiewende in Deutschland  gesellschaftlich vorangetrieben wurde. Aufbauend auf diesen drei komplementären Phasen der Energiewende flossen die gesellschaftlichen Impulse in das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG, 2000) ein, womit das Feld für eine breite finanzielle Beteiligung der Bürger an erneuerbaren Energien bereitet wurde. In dieser vierten Phase der Energiewende, die in Folge eine internationale Ausstrahlung entwickelte, wurden mit dem EEG Investitionssicherheit und Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen und Vertrauen in erneuerbare Energien aufgebaut. Diese erwiesen sich auch als Schlüsselfaktoren für ein beeindruckendes Wachstum der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und damit verbundenen rasanten Innovationen und Kostensenkungen.

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 öffnete Deutschland den Strommarkt für neue Akteure und schuf Investitionssicherheit und Geschäftschancen für viele. Ermöglicht wurde diese Entwicklung insbesondere durch zwei Aspekte: Erstens wurde den neuen unabhängigen Stromerzeugern (Independent Power Producers, IPP) Netzzugang und ein Einspeisevorrang garantiert – damit wurde gewährleistet, dass der erzeugte Strom auch abgesetzt werde konnte. Zweitens wurden für den erzeugten Strom auf 20 Jahre feste Einspeisetarife garantiert, was für kalkulierbare und zuverlässige Renditen sorgte. Dies wiederum motivierte Kreditinstitute, den neuen Stromerzeugern eine entsprechende  Finanzierung zu Verfügung zu stellen. Auch die strategischen nationalen Ziele für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen waren wichtige Signale in dieser Hinsicht, die mit ihrem Aufschluss über die Größe des neuen Sektors und sein erwartetes Wachstum Finanzierungsanreize setzten.

Im Jahr 2016 ist die Vergabe von Krediten für PV-Dachanlagen und andere Erneuerbare-Energien-Projekte aufgrund der garantierten Investitionssicherheit für Banken Routine. Die heute gängigen Finanzierungsmodelle und -abläufe sind dabei keineswegs über Nacht entstanden, sondern Ergebnisse eines längeren Lernprozesses auf Seiten von Finanzinstituten und Erzeugern. Dieser ist wiederum eng mit den Charakteristika des nationalen Bankwesens verknüpft und damit nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragbar. Der Aufbau von Vertrauen in Erneuerbare Energien nicht nur als verlässliche Energiequelle, sondern auch als Geschäftsmodell ist sicher eine Schlüsselkomponente bei der Entwicklung von Finanzierungsmodellen. Eine starke politische Rückendeckung durch Schaffung von Investitionssicherheit und Unterstützung für Kleinunternehmer und private Stromerzeuger sind für diese wichtige Vertrauensbildung wesentliche Komponenten.

Die sozialen Vorteile der erneuerbaren Energien nutzen

Erneuerbare Energien bringen vielfachen Nutzenvorteile - sie vereinen das ökologisch Notwendige, wie den Klimaschutz, mit gesellschaftlichen Visionen und sozialen wie wirtschaftlichen Chancen. Zu diesen Chancen gehören lokale Wertschöpfung in Technologieentwicklung und -fertigung, Installation und Wartung, zeitnahe Erweiterung des Energiezugangs, Verminderung von Ressourcenkonflikten um knappes Wasser sowie menschliche Gesundheit dank besserer Luftqualität.

Eine wachsende Zahl von Ländern ist bereits der vielfachen Nutzenwirkung der erneuerbaren Energien (‚Multi-Benefit Opportunity‘) gewahr und richtet die Energiepolitik neu aus. Mit dem Ziel, durch den aktiven Aufbau und die Ausgestaltung der neuen Energiewelt diese soziale Vorteile aktiv zu nutzen.

Dieser Text beruht auf einem Tagungsbeitrag und dem im Egyptian German Science Monitor erschienenen Artikel „Re-Thinking Energy: Scientific Input - Social Output".

Foto: Energiegenossenschaft Starkenburg

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